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Wasserbewirtschaftungsplan Agger

Friedrich Meyer, Flussgebietskoordinator des Wassernetzes NRW hat eine Stellungnahme

zum Entwurf des 3. Bewirtschaftungsplans NRW 

PE_SIE_1200: Agger mit Staustufen und Wiehl verfasst:

 

Die Herstellung der Durchgängigkeit durch Rückbau der Querbauwerke ist die zentrale Aufgabe zur Herstellung eines guten Zustandes an oberer Agger und Wiehl

 

Vorbemerkung:

 Für eine Stellungnahme zum Entwurf des 2. Bewirtschaftungsplans hatten sich im Jahre 2014 Vertreter von Angelvereinen sowie der Kreisverbände Oberberg von NABU und BUND zusammengefunden und gemeinsam eine Stellungnahme erarbeitet. Zu einer erneuten gemeinsamen Erarbeitung einer Stellungnahme zum Entwurf des 3. Bewirtschaftungsplanes ist es nicht gekommen, weil den damaligen Teilnehmern "die Zeit zu schade " war angesichts der Performance Bezirksregierung Köln und dem MULNV bei der Nicht-Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an der oberen Agger.

 

Es fehlt die Hoffnung, dass sich die derzeitige Landesregierung ernsthaft für die, wie es die EU-Kommission in ihrer Biodiversitätsstrategie für 2030 nennt, "Wiederherstellung von Süßwasserökosystemen" einsetzt. Eine entsprechende Auseinandersetzung mit der systematischen Nichtbeachtung der Vorgaben der EG-WRRL findet sich in der Stellungnahme des Landesbüros der Naturschutzverbände zum Entwurf des 3. Bewirtschaftungsplans NRW im Kapitel "Überprüfung der HMWB-Einstufung". Dort wird der Zeitraum des zweiten Bewirtschaftungsplans von 2016 bis 2021 als "verlorene Jahre für die Erreichung natürlicher Gewässer", in der sich die Anzahl der HMWB-Gewässer nicht verändert hat, gewürdigt. Angesichts der entstandenen Situation an der oberen Agger beschränkt sich die vorliegende Stellungnahme auf eine Bewertung der bislang erfolglosen Bemühungen um das Hauptproblem, die Herstellung Durchgängigkeit der oberen Agger und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen.

 

Unterschiedliche Auffassungen zur Rechtslage

 

Der § 34 des Wasserhaushaltsgesetzes Durchgängigkeit oberirdischer Gewässer hat für die Planungseinheit PE_SIE_1200: Agger mit Staustufen und Wiehl die zentrale Bedeutung:

 

"(1) Die Errichtung, die wesentliche Änderung und der Betrieb von Stauanlagen dürfen nur zugelassen werden, wenn durch geeignete Einrichtungen und Betriebsweisen die Durchgängigkeit des Gewässers erhalten oder wiederhergestellt wird, soweit dies erforderlich ist, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 zu erreichen.

 

(2) Entsprechen vorhandene Stauanlagen nicht den Anforderungen nach Absatz 1, so hat die zuständige Behörde die Anordnung zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit zu treffen, die erforderlichen sind, um die Bewirtschaftungsziele nach Maßgabe der §§ 27 bis 31 zu erreichen."

 

Die zuständige Behörde, die Bezirksregierung Köln, hat entgegen der gesetzlichen Bestimmung des § 34 bislang keine "Anordnung zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit" an der Agger getroffen. Inwieweit, dies in NRW an anderer Stelle geschehen ist, ist nicht bekannt. Jedenfalls wurde seitens des MULNV den Mitarbeitern des Wassernetzes NRW gegenüber vertreten, dass der Verzicht eine Anordnung auszusprechen, der Strategie des Landesumweltministeriums entspricht, die EG-Wasserrahmenrichtlinie bzw. das WHG nicht administrativ sondern kooperativ mit den Betreibern umzusetzen.

 

Dementsprechend hat die Bezirksregierung Köln, wie aus uns vorliegenden Dokumenten hervorgeht, 2011 den damaligen WKA-Betreiber an der Agger, die Agger-Kette GmbH & Co.KG des Arztes Dr. Bernd Walters auf die bestehende Gesetzeslage hingewiesen. Er solle bei der Sanierung seiner Anlagen, die er vom RWE bzw. einer Tochtergesellschaft erworben hatte, die Durchgängigkeit herstellen. In der Folge, um das Jahr 2013, verkaufte Dr. Walters seine Anlagen Ehreshoven I und II, Ohl-Grünscheid, Haus Ley, Wiehlmünden, Osberghausen an der Agger sowie Bieberstein an der Wiehl. Augenscheinlich war er davon ausgegangen, dass sich die Wasserkraft nach Maßgabe der notwendigen Investitionen in die Sanierung der Anlagen und der verlangten Durchgängigkeitshilfen nicht rechnet.

 

Der neue Betreiber, die bayrische Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG des Christian Auer, dem zwischenzeitlich alle WKA an der Agger bis auf die begrüßenswerte WKA an der Aggertalsperre gehören, hatte eine andere Einschätzung bezüglich der Gesetzeslage zur Durchgängigkeit und zur Mindestwasserführung als die Bezirksregierung und wohl auch Dr. Walters.

 

Diese konträre Rechtsauffassung der Aggerkraftwerke zeigte sich im August 2014 in einem Arbeitsgespräch bei der Bezirksregierung zur Mindestwasserführung vom Stau Ehreshoven I in das alte Aggerbett. Die Aggerkraftwerke vertraten die Auffassung, dass sie durch den Erwerb der Anlagen 2013 über sogenannte alte Rechte verfügten und deshalb die Bestimmung zur Durchgängigkeit für sie nicht von Belang sei. Die gegenteilige Auffassung sei bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Die Auffassung der Aggerkraftwerke wurde zumindest auf besagtem Arbeitsgespräch, das 2014 im Rahmen der Erstellung des zweiten Bewirtschaftungsplanes stattfand, deutlich. Auf den Vorhalt des Vertreters der Engelskirchener Angler, dass es sich bei Wasserrahmenrichtlinie um rechtliche Vorgaben handele, erklärte der Vertreter der Aggerkraftwerke laut Protokoll, dass auch die Wasserrahmenrichtlinie Wunschdenken sei.

 

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre es geboten gewesen, eine Klärung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen von der Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG. herzustellen mit dem Ziel, eine Vereinbarung zu treffen, die festhält, dass die Vorgaben nach den §§ 33 - 35 Mindestwasser, Durchgängigkeit, Fischschutz und die damit verbundenen Kosten bzw. Mindereinnahmen durch die reduzierte Wassermenge für die Stromgewinnung einzuhalten bzw. zu tragen sind. Wäre es zu dieser Vereinbarung nicht gekommen, was zu vermuten ist, weil das Geschäftsmodell der Aggerkraftwerke obsolet geworden wäre, dann hätte eine Anordnung zur Befolgung der §§ 33 - 35 getroffen werden müssen, die zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung geführt hätte. Zwischenzeitlich gibt es verschiedene Gerichtsurteile, unter anderem vom Bundesverwaltungsgericht, die besagen, dass das Wasserhaushaltsgesetz auch für Anlagen nach altem Recht gilt.

 

Der "Oberberg-Erlass" zeigt keine Wirkung

 

Statt den offensichtlichen Konflikt auszutragen, beschränkte sich die Bezirksregierung Köln 2014 darauf, die Betreiber von Talsperren, als solche gelten auch die Stauanlagen an der Agger, darauf hinzuweisen, dass sie bis Ende 2016 die Abschlussberichte zur vertieften Überprüfung der Sicherheit der Talsperren nach DIN 19700 vorzulegen hätten. Knapp 2 Monate vor der Fristsetzung hat die Landesregierung dann, nach wiederholten Kritiken an den Zuständen an der Agger und Anmahnungen von kommunalen Gremien des Oberbergischen Kreises zur Umsetzung der WRRL an der Agger, den sogenannten "Oberberg-Erlass" an den Oberbergischen Kreis gesandt. Hierin wird ein Verfahren in Aussicht gestellt, das sicherstellt, "dass sowohl die Anforderungen aus der laufenden vertieften Überprüfung, als auch der ökologischen Anforderungen nach WHG zeitlich in einem Verfahren zusammengeführt werden, so dass ein Betreiber eine wirtschaftliche Prüfung, ob sich die Weiterführung des Betriebs in Anbetracht der zu erfüllenden Anforderungen an die Standsicherheit sowie der auch zu erfüllenden ökologischen Anforderungen rechnet, durchführen kann." Das Ministerium ging in den Erlass davon aus, dass, entsprechend der gewählten Fristsetzung durch die Bezirksregierung Köln zum 31. 12. 2016 eine zeitnahe Bearbeitung dieser Fragen durch die Betreiber erfolgen wird.

 

Gut vier Jahre später, am 14.2.2020 musste das Ministerium in einem Schreiben an den BUND NRW zur Frage der "zeitnahen Bearbeitung" feststellen: "Ob die Betreiber (mittlerweile ist es nur noch einer-FM) der Staustufen an der Agger jetzt kooperativ an der Fertigstellung der weiteren Nachweise im Rahmen der vertieften Überprüfung mitwirken oder ob weiterhin mit Hilfe des Ordnungsrechts die allgemein anerkannten Regeln der Technik durchgesetzt werden müssen, kann derzeit nicht abgeschätzt werden. Aus diesem Grund kann keine Aussage dazu getroffen werden, wann die vertiefte Überprüfung an den gewerblich betriebenen Stauanlagen an der Agger abgeschlossen werden kann."

 

Zumindest die Überprüfung des Stahlwasserbaus an den Kraftwerken und die Niederlegung des Staus OHL-Grünscheid wegen aktueller Gefährdung durch das marode Wehr konnte, jeweils nach gerichtlicher Bestätigung, durchgesetzt werden. Inwieweit die anderen erforderlichen Nachweise hinsichtlich der Hydrologie, der Hydraulik, der Geotechnik, des Massivbaus und dem Betrieb der Anlage vorliegen ist uns unbekannt.

 

Festgestellt wurde von der Bezirksregierung Köln, wie aus einem Schreiben an den Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator für die Agger vom 18.März 2021 hervorgeht, dass die vertiefte Überprüfung für die vom Aggerverband betriebene Stauanlage Osberghausen (die dortige nicht arbeitende Wasserkraftanlage ist mittlerweile auch im Besitz der Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG) abgeschlossen ist. Dass ist insofern verwunderlich, als für die Begründung für die noch nicht abgeschlossenen vertieften Überprüfungen der anderen Stauanlagen die noch nichtabgeschlossene Erarbeitung des Niederschlags-Abfluss-Modells durch den Aggerverband angegeben wird. Der Aggerverband hatte sich 2016 bereit erklärt hat, ein sogenanntes Niederschlags-Abfluss- Modell zu erarbeiten, das voraussichtlich 2022 vorgelegt werden kann. Inwieweit das N-A-M , das vereinfacht gesagt, berechnet, welche Wassermassen bei außergewöhnlichen Niederschlägen an den Stauanlagen ankommen, mit dem angegebenen Zeitaufwand errechnet werden musste, kann hier nicht beurteilt werden. Auffallend ist allerdings, dass es nicht zu dermaßen heftigen Überschreitungen der Fristsetzung für die vertieften Überprüfungen bei den anderen Stauanlagen in NRW gekommen ist, wie an der Agger in Engelskirchen (siehe Beantwortung der Kleinen Anfrage des Landtagsabgeordneten Norwich Rüße LT-Drs. 17/13413 durch die Umweltministerin Ursula Heinen-Esser vom 11.05.2021).

 

Die Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG stören sich nicht am "Oberberg-Erlass"

 

Dass das Niederschlags-Abfluss-Modell lediglich für den Abschluss der anderen Anlagen relevant ist und nicht für die Anlage Osberghausen, ergibt sich auch daraus, dass der Aggerverband für die Stauanlage Osberghausen schon Investitionsentscheidungen getroffen hat und diese bereits bei den Arbeiten am Wehr umsetzt.

 

Die Aggerkraftwerke haben sich nicht an den von der Landesregierung im "Oberberg-Erlass" vorgegebenen "Fahrplan" gehalten. Als Ende Mai 2020 Wassernetz NRW und der BUND - Regionalgruppe Köln der Presse in einem Ortstermin die eindrucksvolle natürliche Flusslandschaft mit sich bildender Aue, die sich nach der Niederlegung des Staus Ohl-Grünscheid im September 2019 nach den Winterhochwässern gebildet hatte, präsentiert hatten und sich vehement gegen einen Wiederaufstau ausgesprochen hatten, reagierten die Aggerkraftwerke. Man wolle außer der Wiederinbetriebnahme des WKA Osberghausen in die Kraftwerke Ohl-Grünscheid und Ehreshoven I und II in den nächsten zwei Jahren zirka sechs Millionen Euro investieren. Neben dem Austausch des Segmentschützes am Wehr Ohl-Grünscheid würden die Investitionen den Austausch jeweils eines Maschinensatzes (Turbine und Generator) und der kompletten Steuerung der Anlagen umfassen (Oberbergische Volkszeitung 29. Mai 2020). Investitionen in die zu erfüllende Durchgängigkeit wurden nicht angekündigt. Dem Wassernetz NRW ist nicht bekannt, ob die Aggerkraftwerke von der Bezirksregierung darauf hingewiesen wurden, die Kosten für die Durchgängigkeit in die Kalkulation für die gesamten Investitionen einzubeziehen. Am 20.01.2021 kündigten die Aggerkraftwerke der Bezirksregierung Köln dann den teilweisen Austausch der Turbinen von Ohl-Grünscheid, Ehreshoven I und II an. Einwände seitens der Bezirksregierung dagegen gab es nicht.

 

Aus dem Verhalten der Aggerkraftwerke ist zu schließen, dass sie nicht vorhaben, in die Durchgängigkeit der Agger zu investieren und im Glauben sind, dies auch nicht tun zu müssen. Bei den Durchgängigkeitskosten für den Stau Osberghausen ist die Lage eine andere, weil hier der Aggerverband 2015 eine neue Erlaubnis beantragt hatte, die bei den übrigen Anlagen nach altem Recht nicht zu beantragen ist. Bestandteil der 2016 gewährten Erlaubnis für Osberghausen war der Bau einer Fischtreppe durch den Aggerverband, deren Bau noch nicht erfolgt ist und somit die Anlage noch nicht läuft. Diese dafür in der Sechsjahresübersicht 2020 - 2025 mit 1,1 Millionen Euro veranschlagten Kosten werden zum einen mit 568000 Euro an staatlichen Zuschüssen, zum anderen vom Aggerverband als Körperschaft des öffentlichen Rechts finanziert, was auch Voraussetzung für den staatlichen Zuschuss ist. Der Aggerverband hat allerdings mit der Aggerkraftwerke GmbH & Co. KG eine vertragliche Vereinbarung geschlossen, dass die Aggerkraftwerke den Eigenbetrag an den Aggerverband erstatten. Damit wird die im europäischen Recht verankerte Regelung, dass entsprechende Zuschüsse nur gewährt werden, wenn keine EEG-Erstattung erfolgt, umgangen. Entsprechende Regelungen wären bei den anderen Anlagen, , nur möglich, wenn die Stauanlagen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und nicht wie hier, einem Privatunternehmen gehörten. Ob die Umgehung der nichtzulässigen Förderung von Durchgängigkeitsmaßnahmen der Art wie in Osberghausen juristisch überhaupt haltbar ist, bezweifelt das Wassernetz NRW. Klarheit in dieser Frage könnte die EU-Kommission schaffen. Ob es diesbezügliche Vorschriften/Urteile gibt, ist dem Wassernetz NRW nicht bekannt.

 

Festzuhalten ist, dass die Strategie des "Oberberg-Erlasses", die Betreiber in die Lage zu versetzten, nach Maßgabe der Ermittlung der Sanierungskosten nach der Bestimmung des Landeswassergesetzes § 76 und den gewässerökologischen Kosten für die Umsetzung der §§ 33-35 WHG Mindestwassermenge, Durchgängigkeit und Fischschutz, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, gescheitert ist. Die Grundübel dieser Strategie bestanden zum einem darin, dass das "Schicksal" der Agger als Lebensraum von vermeintlich rational denkenden Investoren und nicht von der Politik, nach Maßgabe des Allgemeinwohls, abhängig gemacht wurde. Das andere Grundübel, im Fall der Aggerkraftwerke, bestand darin, keine Klärung für die gewässerökologischen Obliegenheiten des Betreibers herbeigeführt zu haben. Der sogenannte kooperative Weg der Landesregierung ist schon bei den Vorbereitungen für die Sanierungsmaßnahmen gründlich gescheitert und bei der Klärung der notwendigen gewässerökologischen Maßnahmen noch nicht einmal begonnen worden. Der Verzicht der Landesregierung auf eigene Überlegungen, was aus dem Lebensraum obere Agger werden soll, ist verheerend.

 

Neue Überlegungen im Entwurf des 3. Bewirtschaftungsplans

 

Nunmehr ist im Entwurf des 3. Bewirtschaftungsplans, nachdem man im 1. und 2. Bewirtschaftungsplan bedauert hat, wie schwierig es sei, die gesetzlich vorgeschriebene Durchgängigkeit herzustellen und weitere konzeptionelle Überlegungen als vordringlich ansah, ein neues Moment im Entwurf des vorliegenden Steckbriefs für die PE 1200 Agger mit Staustufen und Wiehl. Es wird festgestellt, dass die "Erreichung der Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie trotz Fischschutzmaßnahmen an den wasserbaulichen Anlagen von Agger und Wiehl sich äußert schwierig " gestaltet. Mit anderen Worten, selbst wenn Fischtreppen, die hier als Fischschutzmaßnahmen benannt werden, gebaut würden, wäre für Agger und Wiehl nicht viel gewonnen. Die logische Konsequenz, dann zu überlegen, womit denn die Ziele der WRRL erreicht werden könnten und die weitere Nutzung der Wasserkraftanlagen in Frage zu stellen, wird in dem Steckbrief nicht erwogen. Stattdessen wird die ökologische Verbesserung der Gewässer "mittels der Verkürzung von Rückstaubereichen, sowie der Gewährleistung des Mindestabfluss an der Agger angestrebt." Dass der Mindestabfluss ein vom Gesetz vorgeschriebenes taugliches Instrument zur ökologischen Verbesserung ist, ist unbestrittenen und hätte schon längst verfügt werden müssen. Dahingehend hat sich im Herbst 2020 der Umweltausschuss des Rates der Gemeinde Engelskirchen, der dies schon 2014 gefordert hatte, geäußert. Inwieweit eine Verkürzung der die Gewässer belastenden Rückstaubereiche mit Hilfe der §§ 33 - 35 WHG durchsetzbar ist, erscheint fraglich. Gibt es für die Mindestwasserführung nach § 33 WHG klare Regelungen, die natürlich zu Mindereinnahmen führen, so wäre eine für die Verkürzung der Rückstaubereiche erforderliche Stauabsenkung ein massives Eingriff in das gültige Wasserrecht und würde die ohnehin wirtschaftliche prekäre Situation der Wasserkraft an der Agger, wenn man berücksichtigt, dass der Betreiber die Anforderungen aus den §§ 33 - 35 WHG zutragen hätte, noch weiter verschärfen. Eine öffentliche Förderung einer solchen Maßnahme wäre offensichtlicher Unsinn, da die Zerstörung der Agger durch die Querbauwerke, die bislang noch mit der Gewinnung von regenerativer Energie gerechtfertigt wird, wegen der niedrigeren Stromerträge, noch weniger zu rechtfertigen wäre.

 

Eine öffentliche Förderung der Durchgängigkeit mittels Wanderhilfen ist nicht zu rechtfertigen

 

Die Aggerkraftwerke haben vollkommen Recht, wenn sie auf die nicht vorhandene Verhältnismäßigkeit der Kosten für die Durchgängigkeit hinweisen, wie im besagten Arbeitsgespräch 2014. Der Jahresarbeit von 7795 MWh/a (LANUV Potentialstudie Erneuerbare Energien in NRW - Wasserkraft) und die entsprechenden EEG-Erstattungen lassen es unwahrscheinlich erscheinen, die notwendigen Investitionen für die Durchgängigkeitshilfen und die fälligen Sanierungen der Anlagen abzudecken. Die mangelnde Verhältnismäßigkeit besteht allerdings darin, dass die Agger, abgesehen von flussökologischer Betrachtungsweise, nicht zur Wasserkraftnutzung nach Maßgabe der geltenden Rechtslage taugt. Die Rechtslage besagt, dass, wenn Gewässer zur Stromgewinnung angestaut werden, Mindestwasser, Durchgängigkeit und Fischschutz gewährleistet werden. Wenn man feststellt, dass dies kostenmäßig nicht darstellbar ist, dann ist die Konsequenz, dass man das Gewässer nicht zur Stromgewinnung anstaut bzw. die vorhandenen Querbauwerke zurückbaut. Der Aufwand für die Kosten der §§ 33 - 35 ist dann nicht zu rechtfertigen, egal, wer sie letztendlich trägt. Dies wird offensichtlich, wenn man die alternative Form der regenerativen Energiegewinnung, die sich in den letzten Jahren rasant entwickelt hat, die Windkraft, betrachtet. Hier hat das Fraunhofer Institut 2018 eine wichtige Orientierung mit der Studie Stromgestehungskosten erneuerbare Energien (fraunhofer.de) präsentiert. Für moderne Windkraftanlagen wurden die Entstehungskosten von 1500 - 2000 Euro errechnet. Ein Beispiel: Der Aggerverband hat die Kosten für Sanierung und Fischtreppe in Osberghausen in seiner Sechsjahresübersicht 2020-2025 mit 1725000 Euro angesetzt.

 

Dividiert man diese Ausgaben durch 2000, so erhält man 867,5 kW. Daraus kann man bei einem Wirkungsgrad der Anlage von 50% eine Jahresarbeitsleistung von 3799650 kWh errechnen.

 

Aus den Zahlen des Aggerverbandes kann man bei 300 Haushalten mit einem Durchschnittsverbrauch von jeweils 4000 kWh eine Jahresleistung der Wasserkraftanlage von 1200000 kWh errechnen.

 

Diese Überschlagrechnung, die nicht auf die staatliche Förderung, die zusätzlichen Investitionen der Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG beispielsweise für eine neue notwendige Turbine etc. eingeht, lässt erkennen, dass man für das Geld, das für Osberghausen investiert wird, das dreifache an Strom durch Windenergie bekommen würde. Blieben natürlich die Rückbaukosten, für die in jedem Fall von staatlicher Förderung auszugehen ist weil es eine Maßnahme im Sinne der WRRL wäre.

 

Ein weitere überschlagmäßige Berechnung: Wenn man davon ausgeht, dass insgesamt für die sechs Engelskirchener Wasserkraftanlagen der Aggerkraftwerke GmbH & Co.KG 8 Millionen Euro für Fischtreppen ausgegeben werden müssten, wobei dieser Betrag wohl zu niedrig gegriffen ist, dann könnte man für diese Summe, in moderne Windkraft angelegt, eine weitaus höhere Jahresarbeit generieren, als derzeitig durch die Wasserkraftwerke an der Agger in Engelskirchen generiert wird.

 

An der Ablöse der Rechte führt kein Weg vorbei

 

Abgesehen von der Wertschätzung einer frei fließenden Agger und sich auf den niedergelegten Staubereichen sich bildenden Auen aus Gründen des Naturschutzes, der Biodiversität, der Klimawandelvorsorge und auch der Erholung ist aus volkswirtschaftlichen und rechtlichen Gründen ein Ende der Wasserkraft an der Oberen Agger, bis auf die Talsperren, geboten. Dazu muss die Landesregierung Verhandlungen zur Ablöse der Rechte mit den Aggerkraftwerken führen. Dabei muss zwar davon ausgegangen werden, dass das unternehmerische Engagement der Aggerkraftwerke eine Fehlentscheidung war, auf der anderen Seite hatten die letzten Landesregierungen in NRW für den Ausbau der kleinen Wasserkraft geworben. Außerdem ist die Wasserkraft an der Agger historisch bedingt. Die "Entsorgung" kann nicht dem derzeitigen Betreiber allein aufgebürdet werden.

 

Das Ergebnis wird eine "Rückgewinnung der Süßwasserökosysteme" an der oberen Agger sein, wie es die EU-Kommission in ihrer Biodiversitätsstrategie für 2030 vorgeschlagen und mit der Gewährung von Hilfen in Aussicht gestellt hat.

 

 

 

Friedrich Meyer 21. Juni 2021