Stunde der Wintervögel

Bei Schnee und Eis kommen Rotkehlchen oft zur Winterfütterung – diesen Winter nicht (Foto: R. Jacobs)
Bei Schnee und Eis kommen Rotkehlchen oft zur Winterfütterung – diesen Winter nicht (Foto: R. Jacobs)

“Die Waldvögel blieben im Wald” oder “Wacholderdrosseln als shooting stars

Die Stunde der Wintervögel vom 6. bis 8. Januar fand trotz Dauerregens sehr guten Zuspruch: „241 Oberberger haben mitgemacht und in 182 Gärten zusammen 7518 Vögel gezählt! Viel mehr als im letzten Winter!“ freut sich Sandra Hövel vom NABU Kreisvorstand über die Resonanz. „Bei besserem Wetter hätten wir sicher mehr als doppelt so viel Meldungen bekommen, wie letztes Jahr!“ 

Der diesjährige milde Winter war das totale Gegenstück zum harten und schneereichen Winter 2010/2011. Was sagen die Daten der Stunde der Wintervögel für das Oberbergische zum Vergleich der Winter aus? Die meisten Menschen zählen die Vögel in ihrem Garten, oft an einer Winterfütterung. Wie viele Vögel die Ortschaften aufsuchen, spielt also eine große Rolle bei der Wertung der Ergebnisse.

Nebelkrähe: Rarität von jenseits der Elbe (Foto: K. Mühlmann)
Nebelkrähe: Rarität von jenseits der Elbe (Foto: K. Mühlmann)

Vögel, die in strengen Wintern in die Siedlungen kommen, um von Winterfütterungen zu profitieren, blieben diesen Winter großteils im Wald. Buchfinken, Rotkehlchen, alle Meisen-Arten, Kleiber, Amsel und Eichelhäher wurden deutlich weniger gemeldet, als im letzten Winter. Das hat nichts mit Bestandsabnahmen zu tun – die Vögel konnten in ihren angestammten Lebensräumen außerhalb der Ortschaften genug Nahrung finden und wurden in den Ortschaften entsprechend seltener gezählt. Merke: Winterfütterung wird von den allermeisten Vögeln nur angenommen, wenn wirklich starker Frost und hoher Schnee liegt.

 

Vögel, die sich sowieso gern in menschlichen Siedlungen aufhalten, wie Haussperling, Elster oder Rabenkrähe wurden etwas häufiger beobachtet. Diese Arten haben in diesem Winter keine Verluste durch Frost und Nahrungsmangel hinnehmen müssen. Das Ausbleiben der Winterverluste wird hier deutlich sichtbar. Es ist aber anzunehmen, dass auch die anderen häufigen Vogelarten, also z.B. Kohlmeise und Rotkehlchen eben so gut durch den Winter gekommen sind.

Wacholderdrossel blieben diesen Winter hier (Foto: R. Jacobs)
Wacholderdrossel blieben diesen Winter hier (Foto: R. Jacobs)

Etwas unschlüssig sind wir über die Amseln.“ sagt Sandra Hövel „Im Oberbergischen wurden 20 % weniger Amseln gemeldet als 2011. Das passt zwar ins Bild der Waldvögel, die diesen Winter nicht an die Fütterungen kommen mussten.“ Stutzig macht die oberbergischen Vogelkundler aber, dass Amseln z.B. in Südhessen über 50% Einbußen hatten. „Kann sein, daß die Amseln seit dem extrem trockenen Frühjahr 2011 noch keine Bestandserholung haben. Das wird die Stunde der Gartenvögel im Mai zeigen.“   

 

Wacholderdrosseln waren sozusagen die shooting stars dieser Winterzählung. Im Oberbergischen Kreis wurden 450 gezählt, allein 350 von der NABU Kindergruppe Wipperkids. „Wir haben an unserem Biotop am Grennebach bei Wipperfürth-Dohrgaul einen großen Schwarm beobachtet. Das waren Wintergäste aus Nord- und Osteuropa.“ sagt Michael Schmitz, Leiter der NABU Wipperkids. Wacholderdrosseln verlassen ihre Brutgebiete normalerweise im Spätherbst und ziehen nach Westeuropa und dem Mittelmeerraum. „Dieses Jahr haben sich die Vögel ein Weiterfliegen gespart und überwinterten bei uns“, so Michael Schmitz.

Eichelhäher hielten sich Anfang 2012 aus den Orten raus (Foto: K. Mühlmann)
Eichelhäher hielten sich Anfang 2012 aus den Orten raus (Foto: K. Mühlmann)

Auch andere Vögel haben auf weite Wanderungen verzichtet: einige Bachstelzen, Mönchsgrasmücken, Singdrosseln und Hausrotschwänze wurden im Oberbergischen gemeldet. Das waren zwar nur Einzelvögel; die meisten Bachstelzen, Mönchsgrasmücken und Co. ziehen gen Süden oder Westen. Ein Überwinterungsversuch sichert aber eine gute Startposition für die nächste Brutzeit: Wenn die Überwinterer aus Westeuropa ins Oberbergische zurückkehren, haben die risikofreudigen Daheimgebliebenen längst die besten Reviere besetzt. 

 

Die Klimaforscher sagen milde Winter für die Zukunft als normal voraus. Schnee soll in 20 oder 30 Jahren Seltenheitswert bekommen. „Die Vögel reagieren auf die Klimaänderung. Das zeigt auch die Stunde der Wintervögel. Sorge, daß die Vögel bei dem milden Wetter jetzt zu früh brüten oder bei einem Frosteinbruch massenhaft zugrunde gehen, muss man nicht haben. Uns machen eher schleichende Veränderungen durch den Klimawandel Sorge.“ meint Michael Gerhard vom NABU Kreisvorstand.

 

Auch einige Seltenheiten wurden gesichtet: 1 Mittelspecht, 4 Kolkraben und eine Nebelkrähe. Nebelkrähen leben eigentlich nur östlich der Elbe. Dennoch klingt die Beobachtung glaubwürdig. Denn auch aus der Kreis Altenkirchen und dem Märkischen Kreis wurden Nebenkrähen gemeldet. Für oberbergische Vogelkundler bleibt die Nebelkrähen-Meldung dennoch eine kleine Sensation!